Landschaft
Die ursprünglichen Verwendungsweisen, in denen ‘Landschaft’ rechtlich-politische Bedeutungen hatte, sind heutzutage weitgehend ungebräuchlich.
In der Neuzeit erhielt das Wort ‘Landschaft’ erstmals eine ästhetische Bedeutung, die bis heute dominiert: ‘Landschaft’ nannte man zunächst in der Fachsprache der Malerei die um 1500 entstandene zentralperspektivische Darstellung einer schönen Gegend. Der Begriff ging später in die Umgangssprache ein und bezeichnete nun das Ergebnis bzw. den Inhalt einer bestimmten Form von ästhetisch-subjektiver Wahrnehmung, in der ein empfindender Betrachter eine von der Natur allein (Naturlandschaft) oder von Natur und Menschenhand (Kulturlandschaft) geformte Gegend – im Rahmen kulturell geprägter Wahrnehmungsmuster – als harmonische, individuelle, bildhafte Ganzheit betrachtet. Das heißt, die Einheit einer Landschaft resultiert nicht aus einem Kausalzusammenhang der objektiven Gegenstände in einem Gebiet, sondern aus unserer ästhetischen, selektierenden und synthetisierenden Wahrnehmung.
Im Rahmen der Aufklärungs- und Zivilisationskritik erfolgte eine Uminterpretation dieser Wahrnehmungsweise. Man deutete (Kultur–)Landschaften nun nicht mehr als subjektiv-ästhetische Ganzheiten, sondern als objektiv gegebene regionale Einheiten, als je einzigartige ’organische Totalitäten’ von ’Land und Leuten’, die das Ergebnis gelungener kultureller Entwicklung und deren ästhetischer Ausdruck die Schönheit der Landschaft sei. Seitdem symbolisiert in unserer Kultur das Sehen von Landschaft – insbesondere das einer kleinteiligen vorindustriellen Kulturlandschaft – das Ideal harmonischer, nachhaltiger, einzigartiger regionaler Mensch-Natur-Einheiten bzw. sozial-ökologischer Systeme, die es gegen Globalisierung, Industrialisierung usw. zu schützen gilt.
Diese aufklärungskritische Landschaftsauffassung bildete auch die Basis der um 1800 entstandenen klassischen, landschaftskundlichen Geographie. Auf ihr basieren noch diejenigen Schulen innerhalb der heutigen Geographie, die Landschaft systemtheoretisch als sogenanntes Landschaftsökosystem begreifen: als einheitliches materielles Wirkungsgefüge aus Ökosystemen (Natur) und sozioökonomischen Systemen (Gesellschaft), deren physiognomischer Aspekt das Landschaftsbild sei. Eine Landschaft soll hier ein relativ großräumiges Gebiet sein, das sich durch naturwissenschaftlich erfassbare Merkmale von anderen Gebieten abgrenzen lässt.
Thomas Kirchhoff
(Zitiervorschlag: Kirchhoff, Thomas 2012: Landschaft. [Version 1.3]. In: Kirchhoff, Thomas (Redaktion): Naturphilosophische Grundbegriffe, www.naturphilosophie.org). Copyright beim Autor.
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